Gemeindetag veröffentlicht Mustersatzung Entscheidungen in Kommunalparlamenten können fallen NEUMARKT (7. August 2017) – Die Initiative des Bayerischen Journalisten-Verbandes (BJV) zur Einführung von kommunalen Informationsfreiheitssatzungen geht in die nächste Runde: Der Kreisverband des Bayerischen Gemeindetages hat nach gut drei Monaten Ausarbeitungszeit eine eigene Mustersatzung vorgelegt (Foto colourbox.de). Damit wird Realität, was 17 Bürgermeister des Landkreises Neumarkt am 3. Mai 2017, dem internationalen Tag der Pressefreiheit, hinter verschlossenen Türen in Hohenfels bei einer Tagung des Gemeindetages festgelegt haben. Mit dem Erstellen der Mustersatzung wurde eine Arbeitsgruppe beauftragt, der folgende Bürgermeister angehörten: Bernhard Kraus (Velburg), Alois Scherer (Deining), Ludwig Eisenreich (Berching) und Horst Kratzer (Postbauer-Heng). Kraus hat die Mustersatzung am Montag, 7. August, an alle Bürgermeister des Landkreises Neumarkt und an Pressevertreter verschickt. Es bleibe nunmehr dem "jeweiligen Gemeindegremium überlassen, die Vorlage unverändert oder modifiziert (oder gar nicht) zu beschließen". Freundliche Geste am Ende des Rundschreibens: Bernhard Kraus richtet einen "Dank an alle Unterstützer". |
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Bürgermeister Bernhard Kraus koordinierte die Ausarbeitung der Mustersatzung (Foto Werner Sturm) |
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Wer zu diesem Unterstützer-Kreis gegenwärtig zählt, ist am Tag der Bekanntgabe der Mustersatzung nicht erhoben worden. Bekannt ist aber, dass alle drei Neumarkter OB-Kandidaten für eine satzungsmäßig verankerte Informationsfreiheit sind. Insbesondere der Amtsinhaber Thomas Thumann hat schon vor Wochen überraschend erklärt, dass er ein solches kommunales Bürgerrecht in Erwägung ziehe. Auch sein Mühlhausener Amtskollege Dr. Martin Hundsdorfer hat ebenfalls vor Wochen seinen Gemeinderat darüber informiert, dass er für eine einschlägige Regelung per Informationsfreiheitssatzung ist. Ein ähnliches Signal ist laut NEUMARKTER NACHRICHTEN aus der Gemeinde Lauterhofen gekommen. Der Vorsitzende der UPW-Fraktion im Neumarkter Stadtrat, Dr. Werner Mümmler, erklärte am Montag, der Kreis der freien Stadträte sei "positiv eingestellt". Die UPW stellt 14 der 41 Ratsmitglieder im Neumarkter Stadtrat. Auch der CSU-OB-Kandidat Richard Graf hat sich für eine Informationsfreiheitssatzung der Stadt Neumarkt ausgesprochen und eine entsprechende Tendenz in seiner Fraktion festgestellt. Damit wäre eine Mehrheit im Neumarkter Stadtrat sicher. Die Mustersatzung der Gemeindetages wird nun die Grundlage für die "Gesetzgebungsverfahren" in den Kommunen sein. Der Entwurf hat viele Parallelen mit der seit 1. Mai in Kraft befindlichen Satzung der Gemeinde Berg, unterscheidet sich aber in einem wichtigen Punkt:Das Berger Regelwerk gesteht das Informationsrecht "jeder natürlichen und juristischen Person" zu, während sich die Gemeindetags-Mustersatzung nur auf die jeweiligen "Gemeindeangehörigen" bezieht. Im BJV-Entwurf heißt es dagegen: "Jeder Bürger hat unabhängig von der Gemeindezugehörigkeit Anspruch auf Zugang zu ... Informationen." Die Organisation der Medienschaffenden setzt sich zwar vorrangig für mehr Bürgerrechte ganz allgemein ein, aber sie verspricht sich von Informationsfreiheitssatzungen auch einen erleichterten Zugang zu Daten für recherchierende Journalisten – die ja nicht immer in der fraglichen Kommune wohnen. Die wichtigsten Regelungsinhalte der Gemeindetagssatzung: + Gemeindeangehörige haben "Anspruch auf freien Zugang" zu den bei der Verwaltung "vorhandenen amtlichen Informationen". Dies sei jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. + Zugang zu den Informationen gibt es auf schriftlichen oder elektronischen Antrag beim Bürgermeister oder Oberbürgermeister, ohne dass ein rechtliches Interesse nachgewiesen oder eine Begründung gegeben werden muss. + Die Gemeinde kann "Auskunft erteilen" oder sogar "Akteneinsicht gewähren", und zwar durch den Bürgermeister, den Geschäftsleiter oder eine beauftragte Person. Die Mustersatzung enthält die Selbstverpflichtung, dass die Kommune "während der Öffnungszeiten ausreichende zeitliche, sachliche und räumliche Möglichkeiten für den Informationszugang zur Verfügung" stellt. Auch Kopien der Informationsträger sollen möglich sein. + Allerdings schlägt der Entwurf vor, für "Amtshandlungen" Gebühren und Auslagen nach der jeweils gültigen Kostensatzung der Gemeinde zu erheben. Dies stellt allerdings eine erhebliche Hürde für die Informationsfreiheit dar. Eine soziale Komponente hat eine solche Regelung auch. Der BJV hatte in seiner Mustersatzung kostenfreie Auskünfte vorgeschlagen. Lediglich Kopier- und Versandkosten sollten verlangt werden. + Beim Versagen der Auskunft haben die Bürgermeister zum Teil den Entwurf der Journalisten übernommen, wonach die Herausgabe von Informationen abzulehnen sei, wenn Ermittlungs-, Gerichts- oder Strafverfahren gefährdet seien oder die Verletzung von Urheberrechten drohe. Außerdem enthält die Mustersatzung des Gemeindetages mehrere Formulierungen, die gleichermaßen auslegungsbedürftig sind und restriktiv angewandt werden können. So sollen interne Materialien tabu sein, um den "Schutz des behördlichen Entscheidungsbildungsprozesses" zu gewährleisten. Gibt es nicht immer einen behördlichen Entscheidungsbildungsprozess? Eine Beschränkung des Informationsanspruchs soll auch stattfinden, wenn dies mit Blick auf das "Wohl der Allgemeinheit oder berechtigte Ansprüche einzelner"angezeigt sei. Letzterer Punkt scheint nach Ansicht der BJV-Initiatoren rechtlich riskant zu sein: Denn "berechtigte Ansprüche einzelner" eröffnen einen Ermessensspielraum bei der Wahrung von Persönlichkeitsrechten. Genau einen solche Ermessensspielraum hat ja der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seinem Inzell-Urteil ausdrücklich ausgeschlossen. Nicht umsonst schließt ja diesem Urteil folgend die Mustersatzung der Bürgermeister aus, dass Informationen über Geheimnisse und personenbezogene Daten Dritter weitergegeben werden. Dies gilt auch für den Schutz der "Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse". Die Wahrung des rechtlichen Rahmens der höchstrichterlichen Rechtssprechung ist das eine, die Einführung von "Gummiparagrafen" zur relativ einfachen Abwehr von Auskunftsbegehren das andere. Daran werden sich die Gemeinderäte am Ende messen lassen müssen: Wie ernst nehmen sie das Recht der Bürger auf Information wirklich oder wie restriktiv formulieren sie dieses? WOLF-DIETRICH NAHR Quellen: |
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