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Bis in der Stadt Neumarkt bei der Informationsfreiheit alle den Daumen heben, wird im Stadtrat noch viel gestritten werden (Foto colourbox.de)

Neumarkter Stadträte ringen um Transparenz

Kommt das kleine Presserecht in der Kreisstadt?

NEUMARKT (18. November 2017) - Spät, aber nicht zu spät: In der Stadt Neumarkt dürfte eine Stadtratsmehrheit für eine Informationsfreiheitssatzung so gut wie sicher sein. Die Vorsitzenden aller Fraktionen im Kommunalparlament haben in Gesprächen mit den BJV-Initiatoren bekundet, dass sie der Einführung des Bürgerrechts positiv gegenüberstehen.

Wie freizügig das neue Bürgerrecht am Ende tatsächlich wird, darüber dürfte es in der nächsten Stadtratssitzung am 27. November 2017 ein heftiges Ringen geben. Das hat sich bereits in der ersten Generaldebatte des Verwaltungssenats des Stadtrates abgezeichnet. Im Plenum des Stadtparlamentes wird nach einem Vorschlag von OB Thomas Thumann sowie der UPW und aus den CSU-Reihen die Mustersatzung des Bayerischen Gemeindetages im Landkreis als Empfehlung vorgelegt werden. Allerdings sollen die Fraktionen nach einer teils heftig geführten Verwaltungssenats-Debatte die Gelegenheit erhalten, ihre Änderungswünsche im Stadtrat zur Abstimmung zu stellen.

Einen eigenen Satzungsentwurf hat OB Thumann dem vorberatenden Ausschuss allerdings nicht vorgelegt: Die Stadträte erhielten die umstrittene Mustersatzung des Gemeindetages und den Offenen Brief des BJV vom 4. September 2017, in dem Änderungsforderungen formuliert sind.

So führt man Wahlkampf

Zur Vorgeschichte: Thumann hatte etwas überraschend im OB-Wahlkampf bekundet, auch in Neumarkt eine Informationsfreiheitssatzung anzustreben. Er beauftragte zunächst den Leitenden Rechtsdirektor Jürgen Kohler mit der Ausarbeitung eines Satzungsentwurfs – der aber nie entstanden ist. Diese Zuweisung hatte den Vorteil, dass der OB vor der Wahl Fragen nach dem Bürgerrecht an den Spitzenbeamten hätte weitergeben können und nicht selbst beantworten müssen. In Wahrheit wurde das Thema Informationsfreiheitssatzung intern erst einmal auf Eis gelegt. Erst nach der OB-Wahl ging es verwaltungsintern weiter. Richtiger: Es ging nicht weiter, sondern der wiedergewählte OB erklärte das geplante Bürgerrecht zur "Chefsache", ohne selbst Position zu beziehen (siehe oben).

Der Verwaltungssenat hat dann mit 14:2 Stimmen beschlossen, dass die "Mustersatzung" mit den Änderungsanträgen der Fraktionen und Gruppierungen am 27. November dem Gesamtstadtrat vorgelegt wird. Der Oberbürgermeister verteidigte zuvor die kritisierte Mustersatzung des Gemeindetages. In diese seien die "Gedanken und Erfahrungswerte" von 19 Landkreis-Bürgermeistern eingeflossen. Der OB warb dafür, in Neumarkt diese Empfehlungen zu übernehmen. Die Mehrzahl der Senatsmitglieder und wahrscheinlich eine potentielle Mehrheit des Stadtrates kritisierten den Entwurf.

"Keine Freiheitssatzung"

Die SPD-Fraktionschefin Ursula Plankermann nahm Anstoß an den "vielen Bremsklötzen" einer "hasenfüßigen" Norm, die unter dem Strich "keine Freiheitssatzung" sei. Der neue UPW-Fraktionsvorsitzende Martin Meier bezeichnete den Gemeindetags-Entwurf als "sehr restriktiv" und störte sich an Generalklauseln. Bürgermeisterin Gertrud Heßlinger (SPD) und Helmut Jawurek (CSU) sahen die Vorlage für die Transparenznorm von "Angst" geprägt.

Bei der Grundsatzdebatte gab es Divergenzen zu folgenden Einzelbestimmungen:

Die Anspruchsberechtigten: Während der Gemeindetag Auskunftsrechte nur "Gemeindeangehörigen" einräumen will, forderte Dieter Ries (Flitz) eigene Auskunftsrechte für die Medien, nachdem ja der Bayerische Journalisten-Verband das Thema ins Gespräch gebracht habe. Zur Stärkung der Pressearbeit müssten hauptberufliche Journalisten — auch solche, die nicht in Neumarkt wohnen — einen Satzungsanspruch auf Informationen haben, reklamierte Ursula Plankermann (SPD). Auch Martin Meier (UPW) sprach sich für das "hehere Vorhaben mit symbolhafter Wirkung auf die Pressefreiheit" aus. Sigrid Steinbauer-Erler (Grüne) und Gertrud Heßlinger (SPD) pochten darauf, hauptberufliche Journalisten ohne örtliche Begrenzung in die Satzung aufzunehmen.

Die Laufzeit der Satzung: Wie in den Umland-Gemeinden ist auch in der Stadt Neumarkt die Befristung aus dem Gemeindetags-Entwurf auf zwei Jahre sehr umstritten. Für eine solche Begrenzung gibt es laut Flitz-Ratsmitglied Dieter Ries "keinen triftigen Grund". Eine unbefristete Satzung könne jederzeit aufgehoben werden. Dem stimmte Ursula Plankermann (SPD) zu. Bei Missbrauch könne die Satzung ja geändert werden. Helmut Jawurek (CSU) bezeichnete eine rigide Befristung als "lustig", während sein Fraktionskollege Peter Ehrensberger und UPW-Fraktionschef Meier an der Zwei-Jahres-Probezeit festhalten wollen. Hier zeigt sich die Neigung der beiden großen Stadtratsfraktionen, eher an der "Mustersatzung" des Gemeindetages festzuhalten, was ein Minimum an Informationsfreiheit bedeuten würde. Die Grüne Sigrid Steinbauer-Erler wünschte dagegen eine Angleichung an die Legislaturperiode — wie in mehreren Kommunen festgelegt.

Generalklauseln zur Abwehr von Auskunftsansprüchen: Der Journalistenverband hatte in einem Offenen Brief an alle Bürgermeister kritisiert, dass mit einer Bestimmung des Gemeindetags-Entwurfs praktisch jede Bürger- oder Medienanfrage zurückgewiesen werden könne. Demnach muss das Rathaus keine Auskunft geben, wenn "das Wohl der Allgemeinheit oder berechtigte Ansprüche einzelner" tangiert sind. Gegen die Generalklausel argumentierten die SPD-Stadträtinnen Ursula Plankermann und Gertrud Heßlinger.

Eine kontroverse Debatte gab es auch zu der Frage, ob und in welcher Höhe Gebühren für behördliche Auskünfte erhoben werden. Für eine Reihe von Stadträten beeinflusst dies die Informationsfreiheit nachhaltig.

Plötzlich braucht man eine Gebührensatzung

Wie intensiv das Bemühen um Transparenz ausgeprägt ist, zeigt sich am Verhalten der Rathausspitze in Neumarkt: Auch die Diskussion über das Bürgerrecht der Informationsfreiheit hat die Stadt Neumarkt veranlasst, zum ersten Mal eine Kostensatzung für Amtshandlungen einzuführen. Darauf hat der Leitende Rechsdirektor Jürgen Kohler aus Anlass der jüngsten Sitzung des Verwaltungssenats hingewiesen. Der vorgelegte Satzungsentwurf fasst laut Kohler lediglich die bestehenden Gebührenregelungen der Sachgebiete zusammen.

Der Senat hat dem Stadtrat jetzt mit 13:2 Stimmen empfohlen, die Vorlage zu beschließen. Allerdings lässt die Debatte weitere Diskussionen im Plenum erwarten. Eine Neumarkter Neuheit: Mit der kommenden Informationsfreiheitssatzung wird eine Gebührenregelung in Kraft treten.

Wer zahlt schon 500 Euro?

Demnach werden nur mündliche und einfache schriftliche Auskünfte auch "bei Herausgabe von wenigen Abschriften" kostenfrei sein. Sonstige schriftliche Auskünfte sollen dagegen kosten — je nach Verwaltungsaufwand unter anderem wegen des Schwärzens von Akten zum Schutz von Persönlichkeitsrechten, und bei Herausgabe von Abschriften liegt der Kostenrahmen zwischen 30 und 500 Euro. Für eine "Einsichtnahme" sollen Beträge zwischen 15 und 500 Euro verlangt werden.

Zuvor bei der Behandlung der Informationsfreiheitssatzung waren die Meinungen heftig aufeinander geprallt, ob Gebühren für Amtshandlungen zumutbar und angemessen sind und was die finanzielle Bewehrung für die Informationsfreiheit bedeutet. Bei der Debatte über die Gebührensatzung trafen Pro und Kontra erneut aufeinander.

Am unteren Rand?

UPW-Fraktionschef Martin Meier bezeichnete das Regelwerk als "längst überfällig und gut ausgearbeitet". Die Grüne Sigrid Steinbauer-Erler war sich mit OB Thomas Thumann einig, dass die Gebührensätze am "unteren Rand" angesiedelt seien. Die CSU-Räte Robert Renker und Peter Ehrensberger begrüßten ebenfalls den Verwaltungsvorschlag. Letzterer hielt von einer kostenlosen Einsichtnahme in Verwaltungsakten nichts: "Ich bin kein Fan, die Tür komplett aufzumachen."

Das sahen mehrere Stadträte ganz anders. Nach Ansicht der SPD-Fraktionschefin Ursula Plankermann dient diese Gebührensatzung dazu, Bürger von Auskunftsbegehren abzuhalten. Die "astronomisch hohen Sätze" seien "völlig überzogen" und sollten gekürzt oder gestrichen werden. Die Abrechnung von Kopierkosten im Zehn-Euro-Bereich sei angemessen. Ein Katasterauszug für bis zu 20 Flurstücke für 36 Euro stehe da in keinem Verhältnis, erklärte Ursula Plankermann

Flitz-Stadtrat Dieter Ries deutete den Entwurf der Gebührensatzung so, dass damit "unliebsame Auskunftssuchende ausgebremst werden sollen". Ries stellte die Frage: "Welcher Privatbürger streitet da vor Gericht?"

Journalisten nicht ausschließen 

Wenige Tage nach der Debatte im Verwaltungssenat legte jetzt als erste Stadtratsgruppierung Flitz  Änderungsanträge für die Sitzung am 27. November vor. Flitz hat nun den Antrag gestellt, dass der förmliche Anspruch auf Information nicht auf die Gemeindebürger beschränkt bleibt, sondern für jedermann auch von außerhalb gelten soll. Falls das Einsichtsrecht für jedermann im Kommunalparlament abgelehnt wird, setzt sich die Freie Liste Zukunft für ein Informationsrecht von Journalisten mit Presseausweis ein.

Durch die Mustersatzung des Gemeindetages werde gerade dieser Personenkreis zum größten Teil von der Informationsgewinnung mit Hilfe der Ortssatzung ausgeschlossen. Selbst Journalisten der örtlichen Zeitung, welche ihren Wohnsitz in einer Nachbargemeinde haben, hätten keinen Anspruch. Flitz-Stadtrat Dieter Ries: „Dies kann doch nicht im Sinne von Transparenz und Offenheit sein.“

Transparenz oder eher nicht?

Zudem beantragt Flitz Kostenfreiheit für einfache Auskünfte, Einsichtnahmen und wenige Kopien in Anlehnung an das Bayerische Umweltinformationsgesetz. Die Drohung mit einer hohen Kostenabrechnung stelle einen Hemmschuh für Auskunftsersuchen dar. Mit einer Informationsfreiheitssatzung solle ja eigentlich das Gegenteil erreicht werden.

Dieter Ries bringt ganz neu in die Diskussion über die Informationsfreiheit im Landkreis den Vorschlag zur Benennung eines „vorgerichtlichen Ombudsmanns“ in Form eines Informationsfreiheitsbeauftragten ein. Nach den Vorstellungen von Flitz soll die Satzung nicht zeitlich befristet sein.

WOLF-DIETRICH NAHR