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Stadt Neumarkt: 14. Kommune mit Informationsfreiheit

Restriktives Bürgerrecht ohne Debatte eingeführt

NEUMARKT (24. März 2018) – Der Stadtrat von Neumarkt hat als letzte Kommune im Landkreis Neumarkt am 22. März mit großer Mehrheit die Einführung einer eigenen Informationsfreiheitssatzung beschlossen. Die Kreisstadt ist die 14. von 19 Gemeinden im Landkreis Neumarkt, die das Satzungsrecht einführt.

Mit dem Neumarkter Votum kommen schließlich etwa 110.000 Bürger im Kreis in den Genuss des Bürgerrechts – wenn sie es denn in Anspruch nehmen. Der Schwerpunkt des "Informationsfreiheits-Gebietes" liegt im westlichen Landkreis Neumarkt. Auf eine Ortssatzung haben bisher die Gemeinden Hohenfels, Lupburg, Breitenbrunn, Seubersdorf und Dietfurt verzichtet.

In allem Kommunen können sich "Gemeindeangehörige" auf das lokale Auskunftsrecht berufen. In vier der 14 Gemeinden gibt es entweder ein Jedermannsrecht (Berg) oder hauptberufliche Journalisten auch mit Wohnsitz außerhalb der jeweiligen Gemeinde sind auskunftsberechtigt (Freystadt, Mühlhausen, Lauterhofen). Dies war ein Anliegen des Hauptinitiators der Informationsfreiheitssatzungen, des Bayerischen Journalisten-Verbandes.

Doch das "kleine" Presserecht, eine Anspruchsberechtigung von Journalisten gleich welcher Herkunft, kam in Neumarkt nicht. Es wurde im Plenum nicht einmal darüber diskutiert. Deshalb kann nur spekuliert werden, warum die Rathausmächtigen, insbesondere OB Thomas Thumann und die beiden Fraktionsvorsitzenden Markus Ochsenkühn (CSU) und Martin Meier (UPW), diese Erweiterung der Auskunftsberechtigten gezielt und bewusst nicht vorgenommen haben – obwohl Meier und Ochsenkühn zuvor in Gesprächen mit dem BJV durchaus nicht abgeneigt waren. Meier hatte im Verwaltungssenat im November 2017 wörtlich von einem "heheren Vorhaben mit symbolhafter Wirkung auf die Pressefreiheit" gesprochen. Davon war nun im März 2018 nicht mehr die Rede. Warum vorenthält man Journalisten, die in Neumarkt arbeiten, aber anderswo wohnen, die lokale Informationsfreiheit? Davon gibt es einige in der Kreisstadt. Sind sie ein Risiko für das Neumarkter Kuschel-Klima, wenn sie sich vielleicht irgendwann auf die Informationsfreiheitssatzung berufen?

Dass es zu einer Generaldebatte in der Schlüsselfrage nicht gekommen ist, lag an der Sitzungdramaturgie und war wohl auch so beabsichtigt: Zunächst stimmten alle 33 anwesenden Stadträte grundsätzlich dafür, eine Informationsfreiheitssatzung einzuführen. Im zweiten Votum ging es darum, dass die Mustersatzung des Gemeindetages unverändert übernommen wird. Diese Variante erhielt 26:6 Stimmen. Ende Gelände.

Aus dem Abstimmungsverhalten lässt sich schließen, dass es eine einschlägige Absprache zwischen den beiden großen Fraktionen CSU und UPW gegeben hat. Wie zu hören ist, gab es auf CSU-Kanälen von außerhab Einwirkung auf die Neumarkter Christsozialen. Man kann sich denken, mit welcher Stoßrichtung.

So standen die Änderungsanträge der Rathaus-"Opposition" nur auf dem Papier und wurden nicht mehr diskutiert. Die SPD-Fraktion hatte beantragt:

- dass nicht nur jeder Bürger der Stadt Neumarkt, sondern auch andere Interessierte sowie "jeder hauptberufliche Journalist unter Vorlage seines Presseausweises" ein gesondertes Auskunftsrecht erhalten sollen.

- dass auf die Generalklausel verzichtet wird, wonach Auskünfte mit "Rücksichten auf das Wohl der Allgemeinheit oder berechtigte Ansprüche einzelner" verweigert werden können.

- dass auf die befristete Geltungsdauer von zwei Jahren verzichtet wird.

In dem SPD-Antrag heißt es wörtlich: "Wir sollten unsere zukünftige Informationsfreiheitssatzung als Chance begreifen, die unsere Bürger mitnimmt und die wichtige Funktion der Presse bei der allgemeinen Meinungsbildung der Bürger unterstützt."

Auch die Freie Liste Zukunft (Flitz) bemühte sich auf dem Antragswege darum, gegenüber der restriktiven Gemeindetags-Mustersatzung Verbesserungen zu erreichen. Flitz wollte beschließen lassen,

- dass das Einsichtsrecht jedermann zusteht. Für den Fall einer Ablehnung machte sich Flitz dafür stark,

- dass Journalisten mit Presseausweis das Einsichtsrecht bekommen. Flitz gibt in dem Antrag zu bedenken: "Selbst Journalisten der örtlichen Zeitung, welche ihren Wohnsitz in einer Nachbargemeinde haben, haben keinen Anspruch auf Informationen. Dies kann doch nicht im Sinne von Transparenz und Offenheit sein."

- dass ein Informationsfreiheitsbeauftragter bestellt wird, auf eine zeitliche Gültigkeitsbeschränkung verzichtet wird und die Geschäftsordnung des Stadtrates so geändert wird, dass alle Stadträte die Unterlagen der Ausschusssitzungen erhalten – auch wenn sie nicht Mitglied des Gremiums sind.

- dass einfache Einsichtnahmen in Akten, einfache Auskünfte und die Erstellung weniger Kopien kostenfrei sind.

Bezeichnend ist es, dass mit der Informationsfreiheitssatzung auch zum ersten Mal eine eigene Kostensatzung der Stadt Neumarkt verabschiedet worden ist. Demnach sind nur "mündliche und einfache schriftliche Auskünfte auch bei Herausgabe von wenigen Abschriften" kostenfrei (es müsste richtigerweise heißen: gebührenfrei).

Alles andere ist mit zum Teil saftigen Gebühren belegt:

- Die Erteilung einer schriftlichen Auskunft auch bei Herausgabe von Abschriften kostet 30 bis 250 Euro.

- Bei deutlich höherem Verwaltungsaufwand zur Zusammenstellung von Unterlagen, insbesondere wenn "zum Schutz öffentlicher oder privater Belange Daten ausgesondert werden müssen", sind 60 bis 500 Euro fällig.

- Die Herausgabe von Abschriften und die Einsichtnahme kosten je nach Verwaltungsaufwand zwischen 15 und 500 Euro.

Die Kostensatzung im Verbund mit der Informationsfreiheit löste deutliche Kritik im Stadtrat aus. Die SPD-Fraktionschefin Ursula Plankermann befürchtet, dass diese Sätze Bürger abschrecken, ihre berechtigten Anliegen durchzusetzen. Viele würden von ihrem Auskunftsrecht keinen Gebrauch machen. Als "unsäglich" bezeichnete sie die Satzungsbestimmung, dass "fünf bis fünfundzwanzigtausend Euro" fällig werden, wenn es in der Auflistung keine "vergleichbare Amtshandlung" gebe. Ursula Plankermann wörtlich: "Da wird der öffentlichen Verwaltungswillkür Tür und Tor geöffnet."

Auch Dieter Ries von Flitz beschrieb die abschreckende Wirkung, weil Bürger nicht wüssten, welche Kosten am Ende wirklich auf sie zukommen. Der leitende Rechtsdirektor Jürgen Kohler verteidigte die Kostensätze: Bei den 25.000 Euro sei man einer Empfehlung des bayerischen Innenministeriums gefolgt, einen solchen "Auffangtatbestand" einzuführen. Die Neumarkter Kostensatzung entspreche den Regelungen anderer Städte, den Vorgaben des Gemeindetages und des Bayerisch Umweltinformationsgesetzes. Die Kostensatzung wurde am Ende mit 27:6 Stimmen beschlossen.

Die restriktive Informationsfreiheitssatzung im Gleichklang mit der Kostensatzung ist nach der Entscheidung kritisiert worden. In einem Kommentar der "Neumarkter Nachrichten" ist von einer "Anti-Querulanten-Norm" die Rede. Eine echte Informationsfreiheit werde nicht begründet. Ein Journalist aus der Metropolregion hat die Neumarkter Satzungsdebatte seit Monaten erfolgt und war regelrecht erzürnt: "Betonköpfe bleiben Betonköpfe."

Der Ortsverband Neumarkt des BJV zieht nach dem Abschluss der Aktion insgesamt dennoch eine positive Bilanz. Zum Jahresende 2016 gab es im Landkreis keine einzige Informationssatzung, jetzt sind es 14. Es dürfte bayernweit und wahrscheinlich auch in anderen Bundesländern keinen Landkreis mit einer so starken Verbreitung des Informationsfreiheitsrechtes geben. Aufgrund der Neumarkter BJV-Initiative sind mindestens 13 Prozent der bayerischen Ortssatzungen zu dem Bürgerrecht eingeführt worden.

WOLF-DIETRICH NAHR

Bisher berichtet:

Setzt sich der Stadtrat mit Bürgerrechtsplänen durch

Satzungsbeschluss auf 2018 verschoben

Kommtdas kleine Presserecht in der Kreisstadt?