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Jede Anspielung auf die Machtübernahme der Narren im Dietfurter Rathaus am 11. November und die Stadtratsentscheidung gegen die Informationsfreiheit verbietet sich. Das Bild wurde nur ausgewählt, weil Bürgermeisterin Braun so gut getroffen ist (Foto André De Geare/Neumarkter Nachrichten)

Dietfurt lehnt Informationsfreiheitssatzung ab

Verärgerte Stadträte senken den Daumen

DIETFURT (22. November 2017) – Der Stadtrat von Dietfurt hat eine Informationsfreiheitssatzung mit 15:5 Stimmen abgelehnt. Die Sieben-Täler-Stadt wäre die 13. Kommune im Landkreis Neumarkt gewesen, die das Bürgerrecht per Ortssatzung normiert hätte. So bleibt der Informationszugang der Dietfurter vorerst ungeregelt (Foto Wolf-Dietrich Nahr).

Hinter den Kulissen gab es in den Tagen vor der Stadtratsentscheidung Aufregung in Stadtratskreisen, weil der BJV den Mandatsträgern konkrete Änderungsvorschläge zur "Mustersatzung" des Gemeindetages übermittelt hatte.

Rückblende: Die BJV-Initiatoren hatten anfangs einen Fahrplan für die Verbreitung der Informationsfreiheitssatzung im Landkreis Neumarkt. Vier Bürgermeister wurden ausgewählt, weil sich die Aktivisten Wohlwollen für das Bürgerrechtsthema in den jeweiligen Gemeinden versprachen. Drei dieser vier Gemeinden haben inzwischen Satzungen: Berg, Postbauer-Heng und Deining. Die vierte Kommune, Dietfurt, hat nach der Ablehnung am 20. November 2017 kein entsprechendes Ortsrecht.

Schweigen bei der SPD

Die Rathauschefin Carolin Braun (SPD) hat das Projekt nicht in dem Maße unterstützt wie erwartet. Und erfahrungsgemäß steht und fällt der Erfolg der Satzung vor Ort mit der Unterstützung durch den jeweiligen Bürgermeister. Seitens der Landkreis-SPD gab es in der ganzen Zeit nur Schweigen zu dem Bürgerrechtsthema, obwohl die Sozialdemokraten Mitglied im Bündnis für Informationsfreiheit für Bayern sind. SPD-Kreisvorsitzende ist Carolin Braun. Andere kommunalpolitisch aktive Parteien wie die Grünen und die FDP haben öffentlich ihre Unterstützung bekundet.

Nach durchaus freundlichen und aussichtsreichen Vorgesprächen mit Carolin Braun und dem CSU-Fraktionsvorsitzenden Christian Linz im Frühjahr gab es sogar eine Einladung zur Stadträte-Klausur. Und dann nahm das Informationsfreiheits-Thema in Dietfurt eine eher merkwürdige Wendung: In Stadtratskreisen wurde Stimmung gegen die BJV-Initiative gemacht; von "persönlichen Interessen" war die Rede. Welche sollten dies sein? Bürgermeisterin Braun lud den BJV-Vertreter zur Klausur wieder aus. Der Freien-Fraktionsvorsitzende Dr. Harald Uhl lehnte in einem Telefongespräch die Vereinbarung eines Gesprächstermins ab.

Monatelange Sendepause

Lektion gelernt: Die BJV-Bürgerrechtler würden es in Dietfurt schwer haben. Dann monatelang Sendepause, jene Phase, in der der Velburger Gemeindetags-Vorsitzende Bernhard Kraus (CSU) es schaffte, durch diverse Schachzüge das Thema geschlagene sechs Monate aus der öffentlichen Diskussion herauszuhalten.

Schließlich gab Bürgermeisterin Braun bekannt, dass das Satzungsthema am 20. November im Stadtrat behandelt werden soll. Die Bitte um Übersendung der Sitzungsunterlagen, insbesondere des zu behandelnden Satzungsentwurfs, blieb unerfüllt. Die Verwaltung teilte lediglich mit, die Stadträte hätten die "Mustersatzung" erhalten.

Daraufhin ergriff der BJV erneut die Initiative: In Mails an alle Dietfurter Stadträte wurden die konkreten Änderungsvorschläge einschließlich detaillierter Begründungen geschickt. In sechs Einzelpunkten wurde vorgeschlagen, auch hauptberufliche Journalisten als Anspruchsberechtigte zuzulassen, auf eine zweijährige Befristung der Satzung zu verzichten, das Informationsrecht bis auf Kopierkosten gebührenfrei zustellen und zwei Generalklauseln zu streichen, mit denen sich praktisch jedes Auskunftsbegehren ablehnen lässt.

"Dokument der Informations-Unfreiheit"

Ja, in der Mail an die Stadträte wird Klartext geredet: "Zusammenfassend sei gesagt, dass die Mustersatzung des Gemeindetages in der unveränderten Form ein Dokument der Informations-Unfreiheit darstellt. Das ursprüngliche Anliegen des BJV, die Bürgerrechte zu erweitern, wird ins Gegenteil verkehrt. Bitte haben Sie jetzt den Mut, die Vorlage nach unseren Vorschlägen entscheidend zu verändern und zu verbessern."

Am Nachmittag vor der Stadtratsentscheidung erklärte Bürgermeisterin Braun in einem Telefonat, mit dieser Mail an die Stadträte hätten sich die Initiatoren eine "Bärendienst" erwiesen; ein Scheitern der Satzung sei wohl unvermeidlich.

Was ist geschehen? Ein Interessensverband hat die Entscheidungsträger in der Kommune mit sachlich begründeten Änderungsvorschlägen konfrontiert – und das nichtöffentlich ohne weiteren Druck von außen. Ein Skandal? Die Stadträtin Ilse Werner soll in der CSU-Fraktion sich besonders empört über diesen Vorgang geäußert haben. Der CSU-Fraktionsvorsitzende Christian Linz erklärte dann in der Stadtratssitzung, die Fraktion sei der Meinung, dass man die Satzung "nicht braucht". Linz begründete diese Position nicht weiter. Er ließ auch unerwähnt, dass er selbst die rechtliche Regelung von Informationsfreiheit für sehr sinnvoll hält und dass er selbst sich mit Erfolg in einer privaten Sache auf das Bundesinformationsfreiheitsgesetz gerufen hat. Dies hat er im Frühjahr dem Unterzeichnenden persönlich erklärt.

"Frohen Herzens"

Die Stellungnahme des CSU-Fraktionschefs führte die Stadtratsdebatte in eine entsprechende Richtung. Nachdem Bürgermeisterin Braun zuvor ihren Vorschlag mit dreijähriger Laufzeit und einem Journalisten-Anspruch ("das können wir frohen Herzens abschließen") sachlich und mit positiver Tendenz vorgestellt hatte, schwenkte sie um. Die Rathauschefin berichtete unvermittelt von einer "merkwürdigen Anfrage aus Hamburg" im Zusammenhang mit der zeitweise in Mühlhausen geplanten Asphaltmischanlage. Carolin Braun erwähnte aber nicht, dass dies gar keine Journalistenanfrage, sondern die eines dubiosen Politikberaters gewesen war. Ohne weiteren Zusammenhang erwähnte sie eine Veranstaltung der Regierung zum "Bürokratieabbau". Und sie erklärte den Stadträten, dass "die Verwaltung" überhaupt nicht begeistert sei, ein solches Satzungsrecht zu bekommen.

In Summe waren dies Aussagen, die die Zustimmung im Stadtrat eher schwinden ließen. Dabei gab es auch ausdrückliche Befürworter einer probeweisen Einführung der Informationsfreiheitssatzung: Freien-Fraktionschef Dr. Harald Uhl und 2. Bürgermeister Oliver Kuhn (CSU). Letzterer riet dazu, das Ansinnen "positiv zu betrachten". Die Demokratie brauche eine freie Presse. Und die müsse entsprechende Informationen bekommen, erklärte der Braun-Stellvertreter.

"Zu blöd"

Ilse Werner (CSU), die sich zuvor in der Fraktion so aufgeregt hatte, erklärte dann in der Sitzung zunächst, es sei ihr "zu blöd", etwas zu dem Thema zu sagen. Dann meldete sie sich doch zu Wort und erklärte, man brauche die Satzung nicht, weil sich die Journalisten informieren könnten. Sie unterstelle die Kooperationsbereitschaft der Kommune. Und der "investigative Journalismus" sei auf eine solche Satzung nicht angewiesen, die Panama und Paradise Papers würden dies beweisen.

Im Vorfeld war der Bürgermeisterin angeboten worden, dass der BJV-Vertreter auf Wunsch im Stadtratsplenum Fragen beantworten würde. Es tauchten auch Fragen auf wie: Sind Journalisten schon einmal im Landkreis Informationen vorenthalten worden? Antwort: Ja. Und: Muss man nicht die Verletzung von Persönlichkeitsrechten befürchten? Antwort: Die Satzung ist in dem Punkt bis ins Detail mit der Rechtsaufsicht auf die jüngsten höchstrichterlichen Entscheidungen abgestimmt worden.

Fragen blieben unbeantwortet

Doch diese Antworten konnten mangels Gelegenheit im Stadtratsplenum nicht gegeben werden. Auch nicht der Hinweis, dass ja bereits zwölf Kommunen im Landkreis eine Satzung beschlossen haben. Vielleicht ist dies dem einen oder anderen Stadtrat in Dietfurt nicht bekannt, denn dort sind die Neumarkter Nachrichten nicht verbreitet, die – im Gegensatz zu anderen tagesaktuellen Medien – kontinuierlich und umfassend über das Geschehen in den Landkreis-Gemeinden berichtet haben.

Man schritt zur Abstimmung. Deren Verlauf ist bezeichnend. Bei der aufgerufenen Grundsatzfrage, ob man überhaupt eine Satzung wolle, herrschte erst eisiges Schweigen. Keine Hand rührte sich, bis ein Stadtrat zögernd Zustimmung signalisierte, gefolgt von drei weiteren. Erst zum Schluss votierte auch die Bürgermeisterin dafür. Reichlich spät für jemanden, der wirklich hinter dem Bürgerrecht steht. Mit 15:5 Stimmen war die Bürgerrechtssatzung abgelehnt.

WOLF-DIETRICH NAHR

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